Der Kranz

Gedanken über die Letzten Dinge

Der Sinn des Allerseelenmonats und die da auftauchenden Gedanken an die Letzten Dinge seien im Begriff „Kranz“ zum Ausdruck gebracht.

Auf Todesanzeigen kann man seit einigen Jahren nicht selten lesen: „Anstelle von freundlich zugedachten Kranzspenden bitten wir im Sinn des Verstorbenen um eine Zuwendung für die Caritas oder eine ähnliche Institution“, oder: „Anstelle von Kranzspenden bitten wir um hl. Messen für den Verstorbenen“.

Solche Bemerkungen mit dem Hinweis auf den Willen des Verstorbenen werden oft wirklich respektiert und finden im Allgemeinen auch Beifall, weil man sich mit Recht fragt: „Was hat der Tote von einem Berg von Kränzen, der über seinem Grab aufgetürmt wird? Wie schnell sind doch die Kränze verwelkt? Wie teuer ist doch ein schöner Kranz?!“

Solchen Fragen kann man eigentlich nur recht geben, gar wenn dann auf den Kranzschleifen höchst sinnlose Sätze zu lesen sind, wie etwa: „Letzte Grüße!“ oder ähnliche nichtssagende oder vielsagende Worte, denn es ist wahrlich vielsagend, auf die Kranzschleife drucken zu lassen: „Letzte Grüße!“, wenn der Kranz wirklich der letzte Gruß und letzte Gedanke an den Toten ist und dann nie mehr an ihn gedacht wird gemäß dem Sprichwort: „Aus dem Auge, aus dem Sinn!“

Noch viel radikaler als in unserer Zeit wurde der Totenkranz in der Urkirche abgelehnt, weil er heidnischen Ursprungs war und dementsprechend im Kranz auch eine heidnische Aussage lag: Er erinnerte daran, dass mit dem Lorbeerkranz, der um die Stirne des heidnischen Helden oder des heidnischen Kaisers gewunden wurde, seine Vergöttlichung zum Ausdruck gebracht wurde.

Wenn wir nun aber biblisch denken, müssen wir feststellen, dass das Wort Kranz – im Lateinischen „corona“, im Griechischen „stephanos“ im Neuen Testament 18mal vorkommt. Es dreht sich nur um die Frage, was da in der Hl. Schrift der Kranz bedeutet. Der hl. Paulus erinnert im 1 Kor 9,24-25 an den Siegeskranz, der bei Wettkämpfen dem Sieger verliehen wurde und Paulus überträgt das auf Sinn und Ziel des christlichen Lebenslaufes. Der Völkerapostel schreibt da: „Wisst ihr nicht, dass die Wettläufer im Stadion zwar alle laufen, aber nur einer den Siegeskranz erlangt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt... Jene tun es, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen“.

In der GehOffb (2,10) ist der Kranz nicht nur ein Symbol für den Sieg, sondern gleichzeitig auch ein Symbol für das ewige Leben. Da heißt es: „Sei getreu bis in den Tod, und ich werde dir den Kranz des Lebens geben!“ Und im Brief des Apostels Jakobus 1,12 heißt es: „Selig der Mann, der Versuchung erduldet, denn wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens empfangen, den Gott denen versprochen hat, die Ihn lieben“.

So also, von der Hl. Schrift her verstanden, hätten uns Kränze doch eigentlich viel zu sagen, weil sie uns darauf hinweisen, dass wir im kurzen Erdenlebenslauf den Sieg über alles Böse in allen Versuchungen und Schwierigkeiten erringen müssen und wir nur dann den „unvergänglichen Siegeskranz“ erlangen, wenn wir uns in allen Prüfungen und Heimsuchungen bewährt haben in der Treue, in der Treue zum Glauben, in der Treue gegenüber den Geboten Gottes, vor allem in der Treue gegenüber dem größten und ersten Gebot, dem Gebot der Gottes- und Nächstenliebe. Und die grünen, blumigen Kränze auf den Gräbern müssten uns eigentlich immer an den Kranz des Lebens, des ewigen Lebens bei Gott in der Auferstehungsherrlichkeit erinnern.

Und wenn die Kränze an das wahre, eigentliche, ewige Leben erinnern, dann sind sie eigentlich ein vielsagendes Mahnzeichen für all jene, die da – obwohl getauft und christlich erzogen – der Meinung sind, mit dem Tod sei alles aus. „No future!“ (Keine Zukunft gibt es mehr, mit dem Tod ist alles aus). Nein, so ist es wahrlich nicht! Wie das Leben Jesu Christi nicht mit dem Kreuzestod am Karfreitag endete, sondern in die glorreiche Auferstehung einmündete, so ist es auch bei uns Christen. Wir bekennen und glauben, dass das Ende nicht der Tod und die Verwesung, sondern die Auferstehung der Toten und das ewige Leben ist. Als mein Vater tödlich verunglückte, haben meine Geschwister und ich über seinem Grab zwar ein großes Kreuz aufpflanzen lassen, aber in den Querbalken ließen wir die Worte aus dem Mess-Credo einmeißeln: „Et exspecto resurrectionem mortuorum et vitam venturi saeculi...“

Der Glaube an die Auferstehung, der in vielen Menschen erstorben ist oder schläft, muss wieder auferweckt werden: „Mein Glaube darf nicht wanken, o tröstlicher Gedanken. Ich werde durch Sein Auferstehn gleich Ihm aus meinem Grab erstehn! Alleluja!“

Es kommt nur alles darauf an, dass es ein Auferstehn zur ewigen Seligkeit wird, und nicht ein Auferstehn zur ewigen Verdammnis. Und darum die Mahnung in der GehOffb: „Sei getreu bis in den Tod, und ich werde dir den Kranz des Lebens geben!“

Auf die Treue also kommt es an! Die Kränze auf den Gräbern, die oft allzu schnell verwelken, sind nur Symbole für den Kranz des ewigen Lebens. Die Heiligen – ob Märtyrer oder Bekenner, ob Priester oder Laien – sie waren treu bis in den Tod, darum wurden sie gekrönt wie die Königin aller Heiligen, von der wir im 5. Geheimnis des glorreichen Rosenkranzes beten: „Jesus, der Dich, o Jungfrau, im Himmel gekrönt hat“.

Sie, die getreue Jungfrau, möge uns durch ihre Gnadenvermittlung und ihre Fürsprache, vor allem aber durch ihr strahlendes Vorbild helfen, auch treu zu sein bis in den Tod, um dann einmal die Kröne des Lebens, den Kranz des ewigen Lebens zu erhalten.